Land in sicht - Nachhaltiges Wohnquartier Meißen Fürstenberg - 2. Platz

Städtebaulicher Entwurf
mit Reiter Architekten GmbH

“Auf dem Standort „Fürstenberg“ soll ein energieeffizientes und emissionsarmes Wohngebiet als „ökologisches Quartier“ entwickelt werden.
Unter diesem Schwerpunkt soll ein Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz geleistet werden. Mit der Minimierung der Emissionen CO², NOx, Feinstaub und Lärm werden Maßnahmen zur Luftreinhaltung und zum Lärmschutz ergriffen.
Auf der bisher ungenutzten Grünfläche am Fürstenberg soll ein innovatives und ökologisch ausgerichtetes Wohngebiet für die Meißner Bevölkerung sowie Zuzugswillige entstehen. Im Umland von Dresden und Radebeul gibt es Interessenten hierfür. Der Meißner Stadtrat erwartet aufgrund der attraktiven Lage des Standortes, der Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und die Nähe zu Einrichtungen der sozialen Infrastruktur eine hohe Nachfrage nach den entstehenden Grundstücken für attraktive Eigenheimgrundstücke und moderne Wohnungen in Meißen.
Unter dem Schwerpunkt der Energieeffizienz soll das geplante Wohngebiet auch einen Beitrag zum Wandel der Mobilität leisten.”

(aus: Aufgabenstellung zum Gutachterverfahren, Stadt Meißen, 2020)

Panorama Meissen Fuerstenberg

Blick vom Fürstenberg nach Norden. 2020, © Dirk Hamann

Idee
Die Idee zum nachhaltigen Wohnquartier ist nicht neu: viele Konzepte und Lösungen existieren bereits seit Jahrhunderten (z. B. mit natürlichen Baustoffen der Umgebung zu bauen) und müssen lediglich auf unsere heutigen Ansprüche und auf den Ort angepasst werden. Hinzu kommen neue Erkenntnisse der anerkannten Regeln der Technik. Das vorliegende städtebauliche Konzept zum Nachhaltigen Wohnquartier Fürstenberg konzentriert sich nicht nur auf die Ökologie, was nur einen Aspekt des Stadtlebens darstellt, sondern umfasst alle Ebenen, die in Zukunft gut funktionierende Stadtquartiere prägen werden: Grüne Energie, CO2-Neutralität in Herstellung und Verbrauch, Sozialer Zusammenhalt, Mobilitätskonzept, Ressourcenschonung sowie qualitätvoll gestaltete Freiräume unterschiedlicher Ausprägung und Nutzung. Unter Berücksichtigung der Kriterien der Nachhaltigkeit soll im zukünftigen Wohnquartier Fürstenberg eine hohe räumliche Qualität erreicht werden, indem sie einer Vielfalt von sozialen, ökonomischen und ökologischen Bedürfnissen gerecht wird.

Das städtebauliche Ziel ist es, ein ökologisches Quartier mit vornehmlich Einfamilienhäusern unter den Prämissen der Energieeffizienz zu entwickeln. Die vorliegende Entwurfsidee bietet eine Mischung aus verschiedenen Gebäudetypologien an, die sich ausgehend von den örtlichen und topografischen Gegebenheiten einerseits aus der Umgebung ableiten, anderseits jeweils unterschiedliche Angebote der Wohnnutzung zulassen. Kompakte Gebäude, wie Reihenhäuser und Zeilenbauten besitzen durch ihre verhältnismäßig geringe Hüllfläche eine recht gute Energieeffizienz, während Einfamilienhäuser mit einem größeren baukonstruktiven Aufwand den Passivhausstandard erreichen. Die vorgesehenen Wohnformen gehen auf die sehr unterschiedlichen Ansprüche der Bewohner ein, die im vorliegenden Entwurfskonzept abgewogen und aufgrund der gegebenen Parameter dem Ort entsprechend eingesetzt wurden. So konnte auch ein beachtlicher Teil des Baum- und Gehölzbestandes in das Konzept integriert werden.

Vogelperspektive von der städtebaulichen Idee für das Wohnquartier Fürstenberg

Ideenskizze, © Olaf Reiter

Modellfoto

Nachhaltiges Wohnquartier Meißen Fürstenberg. Blick von Osten, Modellfoto

Erschließung
Das neue Quartier wird an die Max-Kamprath-Straße angeschlossen. Die vorhandene Bauflucht wird aufgenommen. Der öffentliche Straßenraum weitet sich bis zum Gemeinschaftshaus, das als Kopfbau den Platz des Miradors (Balkon, Bellevue) begrenzt. Von der zentralen Stichstraße aus „verästeln“ sich Privatstraßen zu einzelnen Wohnhöfen, an denen unter Gemeinschaftscarports geparkt wird. Das Befahren der Wohnhöfe ist nur zum Be- und Entladen sowie für Rettungsfahrzeuge vorgesehen. Die privaten Wohnstraßen und Wohnhöfe unterliegen dem Prinzip des shared space (Mischnutzung des Verkehrsraums): Es existieren keine Verkehrszeichen und Bordsteine, offene Rinnen leiten das Niederschlagswasser ab und die Nutzer achten gegenseitig mehr aufeinander. Der Grad der Öffentlichkeit nimmt vom Mirador aus über die privaten Wohnstraßen bis hin zu den gemeinschaftlichen Wohnhöfen ab. Ein Netz von Gartenwegen sorgt für eine Durchwegung innerhalb des Gebietes und für zusätzliche Anbindungen in die Umgebung. Damit wird der Idee der „Stadt der kurzen Wege“ Rechnung getragen.

Nachhaltiges Wohnquartier Meißen Fürstenberg. Konzeptplan

Wohntypologien
Um ein durchmischtes Wohnquartier zu entwickeln, sind neben den Einfamilienhäusern, die sich um einen gemeinsamen Wohnhof gruppieren, kompakte Wohnformen als Reihenhäuser und Geschosswohnungsbauten vorgesehen. In Summe entstehen 42 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern, 14 Reihenhäuser, 28 Einfamilienhäuser. Dies sorgt für eine soziale Mischung, da unterschiedliche Lebensstiltypen hier ein Zuhause finden können. Die Zeilenbauten sind mit barrierefreien Wohnungen ausgestattet. Mit einem starken Bezug zum zentralen Freibereich unterhalb des Miradors, ist in diesem Bereich seniorengerechtes Wohnen ideal. Mit der Clusterbildung der Parzellen der Wohnhöfe wird im Vergleich zum herkömmlichen Einfamilienhaus eine hohe Baudichte erreicht. Die Häuser sind im Zentrum des Clusters zusammengerückt. Damit wird die Grundstücksfläche je Haus reduziert und dank der gemeinsamen Parkierung und Erschließung verfügt jedes Haus trotzdem über einen großzügigen privaten Garten. Die gemeinsame Vorzone der Häuser können die Bewohner als Spiel- und Freizeitfläche nutzen. Durch die verschiedene Stellung der Gebäude und der Berücksichtigung der Hanglage kann die Orientierung der Räume hinsichtlich des Ausblicks und der Besonnung optimiert werden; die Privatsphäre bleibt ungeachtet der Nähe der Häuser zueinander gewahrt.

Freiraum
Neben dem oben genannten hierarchischen Prinzip der öffentlichen (Verkehrs-)Räume, bilden die Grünräume des Nachhaltigen Wohnquartiers Fürstenbergs das Pendent dazu. Unterhalb des Miradors befindet sich eine ausgedehnte Freifläche, die den Blick in die Weite des Landes offen hält. Diese neue Grüne Mitte des Quartiers bietet unterschiedliche Angebote für Freizeit und Erholung in unmittelbare Nähe der eigenen Wohnung. Neben Spielangeboten für Kinder, sind auf der terrassierten Freifläche eine Bouleanlage, Liegewiesen und Sitzbänke vorgesehen. Auch in ökologischer Hinsicht erfüllt die Freifläche ihren Zweck: Neben der insektenfreundlichen Wiesen- und Staudenbegrünung wird in muldenartigen Nassbereichen abgeleitetes Oberflächenwasser zurückgehalten. Parabolförmige Trichter sammeln Regenwasser und sorgen bei Sonne für ein schattiges Plätzchen.
Innerhalb der Wohnhöfe sind jeweils Aufenthaltsbereiche für die Nachbarschaften vorgesehen. Die Treffpunkte können dabei partizipativ individuell von den Bewohnern gestaltet oder verändert werden. Einzig ein Baum und ein Materialwechsel des Bodenbelags markieren den Ort, um so den Anforderungen der verkehrstechnischen Regelungen gerecht zu werden.
Die privaten Gärten werden vielseitig begrünt, dienen der Erholung sowie der Eigenversorgung und unterstützen damit die urbane Biodiversität. Einfriedungen mit ortstypischen Hecken aus unterschiedlichen Bienen- und Vogelnährgehölzen mindern den Wind ab und sorgen gleichzeitig für ein Artenreichtum im Quartier.

Bild zeigt einen Lageplan mit städtebaulichem Entwurf des ökologischen Stadtquartiers in Meißen

Ökologisches Wohnquartier Meißen Fürstenberg. Lageplan

Städtebauliches Detail Wohnhof

Baustoffe
Als Baustoffe kommen hauptsächlich natürliche Materialien, wie z. B. Holz, Lehm, Ziegel, Zellulosedämmung, Naturstein in Frage. Es werden nur Materialien mit einer positiven Ökobilanz und Recyclingfähigkeit verbaut. Dabei sollten Hersteller aus der Region bevorzugt werden, um den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Bei der möglichen abschnittsweisen Realisierung der Wohnhöfe, kann auch materialbezogen vorgegangen werden. Denkbar wären so modellhafte Wohngruppen als z. B. Holzhaus-Hof, Lehmhaus-Hof, Steinhaus-Hof etc.

Regenwasserbewirtschaftung
Das Niederschlagswasser wird grundsätzlich auf dem eigenen Grundstück zur Versickerung gebracht. Retentions-Dachbegrünungen halten ca. 50% bis 70% des Regenwassers auf dem Dach zurück und sorgen durch Verdunstungseffekte für ein gutes Mikroklima. In Regenwasserzisternen wird überschüssiges Regenwasser als Garten- und Brauchwasser gesammelt. Die Ableitung des Oberflächenwassers wird über offene Rinnen in Muldenrigolen zur Versickerung vor Ort gebracht.

Mikroklima
Durch seinen hohen Anteil begrünter Gärten und dem niedrigen Versiegelungsgrad wird die Überwärmung des Quartiers verhindert. Aufgrund der geringen Speichermassen, der Begrünung aller Dächer sowie Fassadenbegrünung ist das Potenzial zur Transpiration bzw. Evaporation und damit zur Kühlung gegeben. Luftleitbahnen werden kaum belastet, die offene Bebauung unterstützt die gute Durchlüftung mit Frischluft.

Energiekonzept
Quartierversorgung mit Sektorenkopplung Wärme-Haushaltstrom-E-Mobilität
Aufgrund der energetisch optimierten Gebäude im Passivhausstandard und der zunehmenden Elektromobilität liegt der Schwerpunkt des Energiebedarfs im Quartier eher im Bereich der Elektroenergieversorgung. Ein Betreiber, z. B. die Stadtwerke bauen und betreiben die technischen Anlagen und liefern den Strom über das Arealnetz an die Bewohner. Überschussstrom wird in das öffentliche Netz eingespeist. Über die Eigenerzeugung hinaus benötigter Strom wird bei Bedarf zentral aus dem öffentlichen Netz bezogen. Die Bewohner erhalten einen Einheitspreis für den verbrauchten „Mieterstrom“, der unter dem Bezugspreis der konventionellen Versorgung aus dem öffentlichen Netz liegen sollte.

Quartierzentrale Wärmeerzeugung und Verteilung mit Nahwärmenetz
Als sinnvoll wird ein zentrales Wärme- und Stromnetz geplant, dessen Basis ein BHKW mit Biogasantrieb ist. Dieses wird an das Gasnetz der Stadtwerke angeschlossen. Die im Gemeinschaftshaus befindliche Heizzentrale mit BHKW und Spitzenlast-Brennwertkessel auf Biogasbasis mit langfristigen Liefervertrag (möglichst regionaler Anbieter) versorgt das Quartier mit Wärme. Für einen optimalen BHKW-Betrieb ist ein ausreichend großer Pufferspeicher vorgesehen. Auf eine thermische Solaranlage wird zugunsten langer BHKW-Laufzeiten und max. PV-Nutzung der Dachflächen verzichtet. Des Weiteren wird der Bau eines wärmeverlustoptimierten Nahwärmenetz zur Versorgung aller Gebäude angestrebt. Die Häuser und Wohnungen erhalten Wärmeübergabestationen für Heizung und hygienische Warmwasserbereitung im Durchlauf.

Systemschnitt von Gebäuden im Quartier, der das Energiekonzpet und Stadtklima erläutert

Stadtklima und Energiekonzept, Systemschnitt

Lüftung der Gebäude
Die Gebäude werden mit gebäudezentralen Wohnungslüftungsanlagen ausgestattet. Damit wird der Wohnwert erhöht und der Wärmeenergiebedarf weiter reduziert, damit wird auch eine gesunde Luft und Virenschutz gewährleistet.

Quartierzentrale Elektroenergieversorgung
Die Versorgung mit Strom ist über einen zentralen Anschluss an das Stromnetz der Stadtwerke vorgesehen. Die Verteilung im Quartier erfolgt ebenfalls über Leitungen der Stadtwerke. Alle Gebäude erhalten PV-Anlagen; das nötige Management der Anlagen erfolgt zentral im Quartier. Mit dem Strom von dem zentralen Biogas-BHKW und von den PV-Anlagen wird vorrangig der Strombedarf der Gebäudetechnik, der Haushaltstrom der Bewohner, E-Mobilität und der Straßenbeleuchtung gedeckt. Überschüsse werden zentral gespeichert und ggf. ins öffentliche Netz eingespeist. Die erforderliche Speichergröße wird wirtschaftlich optimiert. Für die Abrechnung des Stroms soll innovative Messtechnik eingesetzt werden. Darüber hinaus soll die Erzeugung optimal aufeinander abgestimmt und so der Strombezug aus dem öffentlichen Netz minimiert werden.

Straßenbeleuchtung
Mit einem intelligenten Lichtmanagementsystem soll eine bedarfsgerechte, energiesparende Beleuchtung realisiert werden. Strahlungsarme LED-Leuchten, die hauptsächlich nach unten strahlen, dienen der Vermeidung der Irritation von Tieren und der Lichtverschmutzung. Die Beleuchtung der Gebäude, Terrassen und Hauseingänge soll auf ein nötiges Minimum beschränkt werden. Bewegungsmelder werden so installiert, dass nicht jeder vorbeigehende Passant die Beleuchtung einschaltet.

Modellfoto Ökologsches Wohnquartier Meißen Fürstenberg von Nordwesten

Ökologisches Wohnquartier Meißen Fürstenberg. Blick von Norden, Modellfoto